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Montag, 1. Februar 2016

Frau Andrea Nahles Unwahrheiten von der Bundesministerin für Arbeit und Soziales

Zum Artikel der FAZ, am 31.01.2016

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/andrea-nahles-fordert-fluechtlinge-auf-sich-zu-integrieren-14044777.html




Frau Andrea Nahles: Unwahrheiten von der Bundesministerin für Arbeit und Soziales

Ich bitte vorab um Entschuldigung, wenn ich ausnahmsweise mal etwas flach und eventuell sogar etwas pöbelnd werde. Nicht inhaltlich, aber formal. Das hat einen Grund. Mir ist danach. 
Gleichwohl. Also. 

Was Frau Nahles da schwadroniert, braucht man überhaupt nicht auseinander klamüsern nach Flüchtlingen und "Hartzler*innen / ALG II - Leistungsberechtigten.

Was sie in Wahrheit explizit dazu sagt, ist auch quantitativ recht wenig und erstaunlicher Weise sogar im Effekt zuweilen richtig (wenn auch nicht immer mit der richtigen Begründung).

Nein, mir ist etwas anderes wichtig. Und es nervt mich und es ist wieder die alte Schizophrenie und Lügerei durch Weglassen.

Gut auf den Punkt gebracht ist das hier, ich zitiere:

" ... Wer Hilfe benötigt, bekommt sie. Aber es gibt keinen Anspruch auf leistungslose Unterstützung. Der Staat schiebt an wenn nötig, aber wer kann, muss auch selbst in die Pedale treten, damit es vorwärts geht. Und irgendwann muss es allein gehen. ..."

Wer Hilfe benötigt, bekommt sie - seit 01.01.2005 EBEN NICHT mehr. Das ist eine glatte, offene Lüge. 

Kein Anspruch auf leistungslose Unterstützung. Das ist schon ehrlicher. 
Nur Leistung zählt. Wer nichts leisten will und / oder kann: ist nichts wert. In keiner Hinsicht. Gar nichts. 
Es ist auch seit 2005 völlig und völlig egal, ob dieser Mensch OBJEKTIV Hilfe braucht, ob er sonst wohnungslos wird, oder hungert, durchdreht, oder sonstwas. ES.IST.EGAL.!

Sozialstaat? "Verantwortung vor Gott", wie es zu Beginn des Grundgesetzes (GG) geschrieben steht? Pustekuchen!

In gewisser Weise folgt nun die größte Lüge von allen. Allerdings versteckt sie sich hier und ist subtil.

Zitat:
" ... aber wer kann, muss auch selbst in die Pedale treten."

Klingt doch irgendwie nett und logisch?
Sicher.
ABER. Wer befindet darüber, ob jemand "kann"?
Nach welchen Kriterien, anhand welcher beurteilerischen Kenntnisse und Fähigkeiten, sowie in welchem Zeitraum und mit welcher Sorgfalt?

Jobcenter: es darf und soll gekürzt und sanktioniert werden!
10%, 30%, 60%, 100%. Und fertig ist`s.
Und nein: wenn man raus ist, ist man raus. Nix Sozialamt oder so.

Jemand steht im Büro und sagt: "Ich will nicht!"
Jemand macht dreimal hintereinander nicht was er soll, obwohl es ihm, nach Einschätzung seines FM, seines Fallmanagers (!!), leicht möglich ist.

GAME OVER!

Der Teamleiter freut sich, die Sanktionsquote (die man nicht mehr so nennen darf) ist stabilisiert! Hurra.

"Ich will nicht!" heißt SEHR oft: "Ich kann nicht!".
Es gibt da so etwas wie Stolz, wie Scham, bei erwachsenen Menschen. Sich selbst eingestanden - oder nicht einmal sich selbst eingestanden.

Und das entsprechende gilt ebenso für die zweite Konstellation, die ich eben, weiter oben nannte. 

VIELE Fallmanager sind mittlerweile nicht mal mehr annähernd qualifiziert, derlei zu wissen, zu erkennen und behutsam zu erarbeiten, was man tun kann.

Vielleicht ist das für sie sogar besser. 2004 wurden "ca. 75 zu beratende Menschen", "auf Augenhöhe" versprochen.
Aufgehört habe ich als Fallmanager mit 436 "Kunden"...!

Damit wir uns nicht falsch verstehen. Der Ansatz ist von Beginn an falsch und inhuman. Das ALG II deckt KNAPP das Existenzminimum. JEDE Kürzung ist also IMMER ein Unterschreiten dessen.

Aber selbst INNERHALB des falschen Denkens, bleibt das Konstrukt "Hartz IV" unlogisch und inhuman. 

Der Absatz des Elaborates endet mit einer weiteren, frechen Unwahrheit:

" ... Und irgendwann muss es allein gehen. ..."

Ach ja? Keineswegs. Bei manchen Menschen ist das schlicht unmöglich! Und es "muss" aber trotzdem? Was heißt das in letzter Konsequenz? Ich höre!?

Das kann am Menschen persönlich liegen, seinem Schicksal und / oder an den objektiven, äußeren Umständen. DAS ist die Realität. 


Lügen durch Weglassen.

Von "Pedalen" ist die Rede. Eine verräterische Metapher, in mehrfacher Hinsicht. 

Greifen wir nur eine wichtige heraus.
Auf EINE Offene Stelle kommen WIE VIEL arbeitswillige und arbeitsfähige und motivierte Erwerbslose? Vier? Fünf? Eher mehr!

Und richtig. In einem sinnlosen Rollenspiel sollen die Bedürftigen kräftig in Pedale im luftleeren Raum treten. Rein als Selbstzweck, als Ritual, als Unterwerfungsgeste. 
Die motivierten Menschen, die auch wirklich noch Chancen haben auf dem ersten Arbeitsmarkt: bei denen sind Eure Drohkulissen und Sanktionsschwerter vollständig überflüssig. Auf die solltet ihr Euch konzentrieren, sie weiter ermutigen, beraten, SINNVOLL schulen und qualifizieren! Denn DAS war mal Dein eigentlicher Job, liebes Arbeitsamt: offene Stellen zu besetzen! 

Und die angeblich oder tatsächlich "Unwilligen"?
Davon gibt es doch noch viel zuwenig. Und inschallah werden es hoffentlich bald mehr!
Wer sich die real existierenden Zahlenverhältnisse anschaut (s.o.), weiß, dass dies stimmt! Es wird auch nicht mehr anders. Im Gegenteil wird weiter rationalisiert und Personal eingespart.

Es ist genug Geld für alle da! Wir liegen auf Platz 6 im Wohlstand, von ca. 200 Ländern auf der Welt.

Selbst humanitätsfrei und fischäugig neoliberal betrachtet, brauchen wir aber ALLE Menschen: als Konsumenten, als Verbraucher, als Steuerzahler. (Ja, auch letzteres: JedeR zahlt eine Menge Steuern, Stichwort: Mehrwertsteuer!)

Hören Sie auf, die Unwahrheit zu sagen, Frau Nahles, verzerren Sie nicht die Realität durch Weglassen elementarer Sachverhalte. 
Das ist falsch, das ist unchristlich, das ist unsozial!

Ein letzter Satz.
Ich weiß, wovon ich rede, ich habe mehrere Jahre unter dem alten BSHG gearbeitet, als Sozialfachkraft, und mehrere Jahre als Fallmanager in einem jobcenter. 

Gruß
Burkhard Tomm-Bub, M.A.