Hartz IV: Mehr "Drückeberger"! Mehr "bequem - Einrichter"!
Das unsägliche Wort "Drückeberger" prangte kürzlich wieder einmal in riesigen Lettern auf der Titel - Seite des verbreitetsten Hetzblattes der Republik.
Dauerhaft verlässlich im Internet abrufbar sind aber nun einmal die Zahlen der offenen Stellen und der arbeitslosen Menschen. Die in einem krassen Missverhältnis stehen. (1)
Dass die Zeitarbeit, Minijobs, befristete Arbeitsverhältnisse und der Niedriglohnbereich seit 2005 in Deutschland boomen, wird auch niemand ernsthaft bestreiten. (2)
Welche Menschen(gruppen) hinsichtlich der Zuständigkeit den jobcentern zugewiesen wurden, dürfte bei wenigen Minuten Nachdenken eigentlich auch offensichtlich sein, macht man sich klar, dass "drei Stunden leichte körperliche Arbeit täglich theoretisch möglich" neben der Bedürftigkeit de facto das einzige Zugangskriterium darstellt. (3)
Unter Generalverdacht stehend, zur akribischen Dokumentation verpflichtet, kontrolliert und teils schier überwacht, muss der "gemeine Hartzler" es sich bieten lassen, als "Drückeberger" öffentlich angeprangert zu werden und auch das Wort vom "bequemen Einrichten" in der "Sozialen Hängematte", macht immer mal wieder die Runde.
Was ich nicht könnte, mit klar weniger als 400,- Euro im Monat, ohne sonstige finanzielle Ressourcen, versehen mit einer Wohnung "erkennbar unter dem Durchschnitt", um mich weiter gehend zu "motivieren", was ja ganz besonders "sinnvoll" ist bei älteren, eingeschränkten, alleinerziehenden, in schweren Krisen befangenen Menschen und ähnlichen ...
Der schwärzeste Politiker von dem ich je hörte, stellte einmal die Vermutung an, ca. 15% der ALG II Empfängerinnen und Empfänger gehörten wohl zu den "Faulen und Drückebergern". Die tatsächliche Prozentzahl dürfte klar darunter liegen (sofern man sich überhaupt auf diese Nomenklatur einlässt).
Und da sage ich: das wären immer noch klar zu wenige! Da müssten viel mehr davon her. Das wäre - eventuell - auch erreichbar, denke ich. Wenn endlich die Sanktionen ersatzlos gestrichen würden und man den Regelsatz deutlich anhebt.
Wie schon angedeutet. Liebt man die Bundesagentur für Arbeit heiß und innig und folgt gänzlich besinnungslos ihren Zahlenspielereien - kommt man noch immer auf ein Verhältnis von ca. 5,4:1. (Das tatsächliche Missverhältnis liegt allerdings deutlich höher!) D.h. auf jede offene Stelle kommen minimal fünf verfügbare und willige arbeitslose Menschen (Stand 31.07.2014) (4)
Nicht jede Stelle passt zu jedem. Etliche der heutigen Arbeitsstellen sollte man auch real eigentlich NIEMANDEM zumuten - nicht unter den jetzigen Arbeitsbedingungen, Überstunden"regelungen", Befristungen bei sehr schlechter Bezahlung, etc.
Es bestände aber in jedem Falle eine sehr reiche Auswahl, um die geeignetsten Menschen daraus auszusuchen, sie intensiv und im positiven Wortsinne weiter zu motivieren, sinnvoll zu qualifizieren und dann auch zu vermitteln.
Und DAS - wäre ja nun auch die eigentliche Aufgabe von BA und jobcentern. In Form eines echten (!) Fallmanagements - kann man weiters auf gänzlich freiwilliger Basis anbieten, geeignete zusätzliche Hilfen zu koordinieren, in besonderen Lebenslagen. Punkt!
Was dagegen heutzutage vorfindbar ist, in den jobcentern, ist sehr weit davon entfernt, folgt den Einflüssen der Maßnahme - Lobby, ist sehr orientiert an Wirtschaftsfreundlichkeit, ist EDV- und dokumentationsverliebt, setzt intern und extern falsche und praxisferne Anreize, hat als Bibel die Statistik, controlled und überfordert die Mitarbeiter_innen in vieler Hinsicht.
Der humane Sozialstaat in einem der reichsten Länder der Erde wird verraten und verkauft, der ärmste Teil der Bevölkerung mit Sanktionen auf das Existenz - Minimum (!) bedroht, die Niedriglöhner_innen in Angst und Schrecken gehalten und aufgehetzt gegen "die Hartzler". Die Mittelschicht schließlich finanziert zum großen Teil dieses Bündel an unsinnigen Maßnahmen, unlogischer Kontroll- und Strafsystemen und überbordender Bürokratie.
Diese Tatsachen möglichst breit bekannt zu machen, erscheint mir als eine der wichtigsten Aufgaben.
Burkhard Tomm-Bub, M.A.
67063 Ludwigshafen
Ex - Fallmanager
Quellen:
(1):
http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Arbeitsmarkt/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIV32.pdf
(2):
http://www.iwkoeln.de/_storage/asset/147988/storage/iwm:image-zoom/file/4230259/02232156.jpg
http://www.welt.de/wirtschaft/article109132916/Immer-mehr-Deutsche-verdienen-immer-weniger.html
3):
http://tombbloggt.blogspot.de/p/alg-ii-kundengruppen.html
4):
https://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Statistik-nach-Themen/Arbeitslose-und-gemeldetes-Stellenangebot/Arbeislose-und-gemeldetes-Stellenangebot-Nav.html
= Alle Links abgerufen am 03.10.2014
Gut geschrieben!
AntwortenLöschen... Danke Ludger - gern verbreiten! :-)
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