... ein Student aus Uppsala macht eine Studie.
Hierfür hatte er diverse Fragen zum Thema formuliert - und ich habe sie beantwortet.
Evtl. ist dies auch hier von Interesse.
Bei Interesse - bitte gern:
"Lieber Teilnehmer, liebe Teilnehmerin,
vielen Dank für deine Teilnahme und dein Interesse! Diese Studie bezieht sich auf die Demonstrationen der Occupy Bewegung am 15.10.2011 in deinem Heimatland. Bitte antworte so klar und detailliert wie möglich. Es ist äußerst wichtig, dass du dir Zeit nimmst, um die Fragen hintereinander zu beantworten. Es gibt keine falschen oder richtigen Antworten. Schreibe einfach das, was du denkst und fühlst.
Vielen Dank,
Axxxxxxxx Xxxxxxxx"
1. Inwiefern nahmst du die Welt als einen Ort war, in welchem eine Minderheit unrechtmäßig Macht über eine Mehrheit ausübt?
Ich nahm und nehme die Welt als einen Ort wahr, an welchem eine Minderheit unrechtmäßig Macht über eine Mehrheit ausübt, in Bezug auf die Verfügbarkeit über (über-) lebensnotwendige Güter.
a) Luft und Boden werden durch Umweltverschmutzung, durch Produktion von Luxusgütern und überflüssigen Dingen geschädigt, verschmutzt und vernichtet und dies macht die Menschen krank und läßt sie früher sterben.
b) Mit Wasser und Nahrung geschieht das Gleiche. Aus Profitinteressen werden Herstellung, Verarbeitung, Transport und Auswahl "optimiert" - ungeachtet der Gesundheit der Menschen, ungeachtet des Leids von Tieren.
Zudem ist Wasser und (gesunde) Nahrung für viele Menschen zu teuer, oder gar unerreichbar. Menschen verdursten, Menschen werden krank und verhungern.
c) Medizinische Versorgung orientiert am Menschen, nicht am Profit: auch hier gibt es große Unterschiede und Mängel.
d) Wohnraum. Menschen sind obdachlos, oder leben unter unwürdigen und ungesunden, manchmal todbringenden Umständen.
e) Wissen, Bildung und auch Kultur werden nicht allen Menschen gleichermaßen verfügbar gemacht. Diese Unterschiede sind nicht erforderlich und logisch nicht begründbar.
So sieht es auf der Welt aus, obwohl bei richtigem Mitteleinsatz und richtiger Prioritätensetzung absolut genug für Alle da wäre.
Kein vernünftiger Mensch mit einem Herz im Leibe kann dies wollen, gutheißen, oder auch nur guten Gewissens dulden.
Menschen mit einer kranken Seele, mit verlorenen oder nie erfahrenen humanen Werten und pathologisch gestörter Empathie aber bauen dieses System aus, fördern es, verteidigen es. Richtig: ich spreche von unseren "Eliten". Den Wirtschaftseliten, den politischen Eliten und in Teilen auch den intellektuellen Eliten.
Durch ein wenig Wohlstand, durch materielle Vorteile bestechen sie uns, machen uns zu Mitschuldigen. Weite Teile der Medienlandschaft befeuern dies, unterstützen es, "unterhalten uns zu Tode", lenken uns ab, beschwichtigen uns, "überzeugen" uns, lügen durch Schweigen, durch Informationsselektion - und manchmal ganz direkt!
Das ist weder Recht, noch Gerechtigkeit - und schon gar nicht ist es menschlich und human!
Ich glaube an das Gute im Menschen. Und von daher ist es nun für die Eliten Zeit zu gehen. Aufzuhören oder sich grundlegend zu ändern. Denn ihr Tun ist verwerflich, schädlich für alle und zutiefst traurig. Und es lässt dem Guten immer weniger Raum.
2. Welche Emotionen begleiteten deine Entscheidung, zu protestieren? Bitte erläutere.
Ich versuche mich von Hass auf einzelne Menschen fernzuhalten. Erfolgreich, wie ich denke. Ich bin Mitglied keiner Kirche oder Religion - aber schon Jesus Christus sagte: "Hasse die Tat - nicht den Täter!"
Hass und blinde Wut sind ohnehin schlechte Ratgeber. Das ist "emotionale Säure", die sich gegen Jeden richtet. Auch gegen einen selbst.
Ja, ich fühle Trauer, ich fühle auch große Verärgerung, ich bin schockiert, ich begreife die Unlogik vieler Dinge nicht, verzweifele kurzfristig fast an diesem Nichtverstehen.
Ich wandle dies um in einen langen Zorn. In Aktionen, in Taten. Kreative Taten, Handlungen die mir Arbeit abverlangen, die evtl. sogar Mut erfordern. Das hilft.
3. Welchen moralischen Werte oder Ideale hast du zum Zeitpunkte der Proteste meist geschätzt? Und inwiefern haben diese zu deiner Entscheiden, zu protestieren, beigetragen?
Vor, nach und während Protesten - da gibt es wenige Unterschiede, denke ich.
Pazifismus, Humanität, Gerechtigkeit, Emanzipation, Solidarität. Milde und Güte. Hilfe zur Selbsthilfe. Transparenz. Eine klare Abgrenzung zu Gewalt, Faschismus, Rassismus, u.ä.
Das sind zentrale Werte.
Hilfreich für die Praxis und in anderen Zeiten sind auch Kreativität und Durchhaltevermögen, sowie Geduld.
4. Als du aufgewachsen bis in deinem Heimatland, war es da eher akzeptiert sich als ungerecht empfundenen Zuständen zu widersetzen?
Hm. Keine leichte Frage. Ich bin 1957 in Deutschland geboren, auch meine Eltern waren Deutsche. (Entferntere Wurzeln gibt es aber bei der Mutter nach Frankreich, beim Vater nach Polen, evtl. Russland.)
Wir waren die "kleinen Brüder und Schwestern" der 68er - Bewegung.
Ja, vielleicht war es da leichter / akzeptierter sich zu widersetzen gegen Unrecht. Leichter als noch 10 Jahre zuvor jedenfalls. Leichter als heute? Das weiß ich nicht.
Ich widersetze mich. Weil ich muß, weil es richtig ist. Und daher ist es leicht.
Nun ja - es gibt äußere Widerstände, Probleme und Schwierigkeiten, richtig. Manchmal auch starke.
Aber es gibt keine Zweifel, kein Verzagen, keine Resignation. Und so ist es dann doch leicht.
5. Bitte beschreibe wie wichtig es für dich war, dass Occupy-Demonstranten um den 15.10.2011 herum weltweit zur selben Zeit protestiert haben.
Das fand ich schon wichtig und ermutigend. Und es war logisch und richtig.
Die Probleme gehen uns alle an, international. Die Menschen sind eine einzige Familie. Es war logisch und ein Zeichen der Verbundenheit, der Gemeinsamkeit, der Solidarität. Und das ist schön.
6. Inwiefern bot die kulturelle Umgebung deines Heimatlandes eine Basis für Protest im Allgemeinen?
Hm. Sehr schwere Frage.
Was ist denn "Kultur"?
wikipedia sagt:
" ... Kulturleistungen sind alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der Technik oder der bildenden Kunst, aber auch geistige Gebilde wie Moral, Religion, Recht, Wirtschaft und Wissenschaft. ..."
Rechtlich und gesetzlich gesehen gibt es in Deutschland Raum für Protest, es gibt die Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, etc.
Kirchen und Sozialverbände stehen zumindest theoretisch ebenfalls ein, für soziales Engagement - und damit ggf. für ein Aufbegehren, wenn Ungerechtigkeit herrscht.
Technisch gesehen ist das Internet weit verbreitet - das ermöglich gegenseitige Information, Austausch, Koordination und Planung - auch im "Protestbereich".
7. Inwiefern war es wichtig für dich, dass die Occupy-Bewegung gewaltfrei war?
Das ist für mich von zentraler Bedeutung!
Wer mit physischer Gewalt, mit Verletzung, Verstümmelung, Tötung, etc. vorgeht - ist um keinen Deut mehr besser als sein Gegner!
8. Inwiefern hat Solidarität gegenüber a) der Occupy-Bewegung in deinem Land, und b) gegenüber der Occupy-Bewegung weltweit eine ausschlaggebende Rolle gespielt, an den Protesten teilzunehmen?
Ich weiß nicht, ob ich diese Frage verstehe.
Solidarität ist ein mir wichtiger Wert.
Dass occupy fast weltweit entstand und sich äußerte - bedeutete eine Verstärkung des Solidaritätsgedankens und -gefühles, ganz klar.
Und natürlich war ich mit occupy solidarisch, auch durch ganz konkrete Äußerungen, aber auch Handlungen / Aktionen zeigte ich dies.
Was freilich nicht heißt, dass ich mit jeder Einzelansicht jedes anderen Teilnehmers automatisch konform gehen muß.
Mich persönlich störten z.b. einige Einflüsse der so genannten "Zeitgeist - Bewegung", auch mit den m.E. überzogenen Ansprüchen eines bestimmten Teilnehmers nach starker Organisation, Verwaltung, Ordnung, u.ä. war ich nicht immer glücklich. Dennoch konnte man kooperieren.
Oder, falls es anders gemeint ist: natürlich wirkte das motivierend. Aber ich nehme durchaus auch an "kleineren Demos" teil!! :-)
9. Was sind, deiner Meinung nach, die wichtigsten Werte, die die Kultur deines Heimatlandes charakterisieren? Wie, denkst du, haben diese zu den Ausmaßen des Protests in deinem Land beigetragen?
Theoretisch: Demokratie und Soziale Marktwirtschaft, Föderalismus und Trennung von Kirche und Staat. Rechtsstaatlichkeit.
Real: Profitdenken, Kapitalismus, Anonymität, Hedonismus, Unehrlichkeit.
Und eben diese Diskrepanzen haben mit zu dem Protest geführt.
10. Als du protestiert hast, wie stark verbunden hast du dich da mit a) deiner Gruppe von Demonstranten, b) den Protestierenden weltweit, und c) dir selbst gefühlt?
a) Ich war nie sehr lange und intensiv in eine definierte Untergruppe integriert. Aber es war schon ein angenehmes und freundschaftliches Gefühl. Sympathie.
b) Ja, ich habe mich verbunden gefühlt, solidarisch. Ein positives Gefühl.
c) Mit mir selbst habe ich mich sehr verbunden gefühlt. Das Gefühl das Richtige zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu tun: unvergleichlich. Flow! :-)
Natürlich nicht immer und nicht immer gleich stark. Aber grundsätzlich begleitet mich das auf jeden Fall.
11. Inwiefern hast du über deine täglichen Routinen nachgedacht, bevor du dich entschieden hast, zu protestieren? Waren diese wichtig?
Die waren nicht unbedingt wichtig. Ich hatte meinem Leben bereits 2007 aktiv eine große Wende gegeben, in den persönlichen Verhältnissen. Eine weitere war mir anhand einer schweren Erkrankung Anfang 2010 aufgezwungen worden.
Beides hatte dazu geführt, dass ich verstärkt das tue, was ich wirklich will und was richtig und gut ist.
12. Welche Rolle hat Hoffnung für deine Entscheidung, an den Protesten teilzunehmen, gespielt?
Wenig. Ich versuche, mich von Hoffnung möglichst fern zu halten. Wer hofft - kann enttäuscht werden. Und wird es auch oft.
Das muss ich mir nicht antun, das demotiviert.
Es gilt, das Richtige und Gute zu tun. So gut man irgend kann. Punkt.
13. Denkst du, dass eine Idee, die der Menschheit das Gefühl geben könnte, eins zu sein, wichtig ist für einen breiten gesellschaftlichen Wandel in Richtung Gleichheit und Gerechtigkeit in der Welt? Falls dem so ist, welche Idee könnte das sein?
Ich glaube, dass ich die Frage nicht verstehe.
Ich habe das Gefühl, der Fragesteller hat bereits eine Antwort auf die er hinaus will. Ich weiß aber nicht welche.
Die Menschheit IST eins. Wir sind alle Menschen. Wir können fühlen, lachen, tanzen, miteinander reden und miteinander schweigen. Welcher Idee bedarf es da noch?
Nun gut - wenn ich mal ganz privat werde: meine private Weltanschauung ist eine pantheistisch / panentheistische. Diese philosophische Ausrichtung erleichtert mir persönlich das Empfinden des "Einsseins" sehr.
Aber ... ist das eine "Idee"? Braucht man das notwendiger Weise ...?
Zumindest als theoretisches Konstrukt: wohl eher nicht!
14. Vor und während des Protestes, gab es da irgendeinen Song, einen lyrischen Text, Film, Tanz oder ein Kleidungsstück, das dich auf spezielle Art und Weise begleitet hat?
Ich trage bei konkreten Demos dieser Art immer gern mal eine meiner Narrenkappen. Egal, welche mögliche Interpretation man da wählt - ich denke "das passt"! Bin ich, sind wir "die Narren die die Wahrheit sagen (dürfen)"? Zeige ich den "Eliten", wofür ich sie halte, für "närrisch" im negativsten Sinne nämlich?
Beides ergibt einen zutreffenden Sinn.
Als ermutigend empfand ich stets "Empört Euch!" von Konstantin Wecker.
Link (Song, Bilder von Frankfurt, ab Minute 1:00 für 5 Sekunden meine Person mit Narrenkappe rechts im Bild):
15. Bitte versuche zu erklären, wie die Kultur deines Heimatlandes die Größe der Demonstration dort beeinflusst haben könnte.
Hm, wieder die "Kultur" ...
Nun ich denke, eher günstig. Ein großflächiges und / oder armes Land, Menschen die die Fahrt nicht zahlen können, ohne Reisewege, etc. - da wären weniger gekommen.
Eine Diktatur - je nachdem. Entweder weniger, aus Angst. Oder viel mehr, aus Zorn.
Ja nach Art und Auswirkungen der jeweiligen Diktatur.
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Vielen Dank! Ich weiß deine Teilnahme sowie dein Interesse sehr zu schätzen! Bitte schreibe als Letztes noch, ob ich dich nochmals kontaktieren kann, falls ich weitere Fragen habe.
Gern kann man mich kontaktieren.
Burkhard Tomm-Bub, M.A.
ogma1@t-online.de
P.S.:
Ich habe mir dies zum Anlass genommen, einmal gezielt alle Links zu youtube - Clips von mir zum Thema occupy / Blockupy zu sammeln. Gemeint sind also eigene Beiträge.
Ebenso die zu Beiträgen in Blogs von mir.
Anbei und frei verwendbar.
Youtube - Clips (chronologisch):
= 20.11.2011
= Bescherung 2011
= 31.12.2011
= in SL.
= Nahrungsmittel (hervor gegangen aus occupy FFM)
= 28.4.12
= 12.5.12
= 15.5.12
= 21.5.12 Paulskirche
= 24.5.2015
= 1.6.13 Blockupy
= 5.6.2013
= 23.11.14
= 19.3.15
= 20.03.15
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Blogbeiträge (chronologisch):
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Keine Kommentarfunktion wg. Gesetzesänderung, sorry!
AUCH DER VERSUCH DAZU IST DAHER LEIDER UNTERSAGT!
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