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In der ICD-10 (noch
VERBINDLICH gültig in Deutschland)
Transsexualität
→ Code F64.0 „Transsexualismus“
Kategorie:
„Psychische und Verhaltensstörungen“
Folge:
Die eigene Geschlechtsidentität wird als psychische Krankheit
klassifiziert → Stigma + Zwangspsychiatrisierung möglich
Transvestitismus
→ F65.1 als „Störung der Sexualpräferenz“ → ebenfalls
pathologisiert
Intergeschlechtlichkeit
/ Variationen der Geschlechtsmerkmale → unter endokrinen Störungen
(E34.5) oder angeborenen Fehlbildungen (Q56)
In
der ICD-11
(weltweit seit 2022, in Deutschland noch auf Jahre
nicht offiziell)
Transsexualität
→ komplett gestrichen
Neuer
Begriff: HA60 „Geschlechtsinkongruenz“ (Gender Incongruence)
Neues
Kapitel: „Conditions related to sexual health“ → keine
psychische Störung mehr
Transvestitismus
→ komplett entfernt, keine Diagnose mehr
Intergeschlechtlichkeit
→ neuer Code HA2 ebenfalls im Kapitel „Conditions related to
sexual health“ → als natürliche Variation, nicht als Krankheit
oder Fehlbildung.
Ergebnis
Die
ICD-11 entpathologisiert Trans*- und Inter*-Lebensrealitäten
vollständig, behält aber dennoch den Zugang zu medizinischer
Versorgung (Hormone, Operationen, Begleitung) bei. Genau das
beschreibt Dr. Mark Benecke treffend:
„Die ICD-11 sorgt auch
dafür, dass LGBTQ+-Menschen bessere Behandlungen erhalten ohne dass
ihre Identität als Krankheit gilt, sorgt für bessere Forschung und
Prävention und gibt ein deutliches Signal gesellschaftlicher
Anerkennung. Letztlich ist es ein Kompromiss zwischen Sichtbarkeit im
System und Entpathologisierung. Dennoch ist dies ein deutlicher
Fortschritt.“
GLOSSAR
- Begriffe – kurz und klar:
Transgender
und transident → vollständig synonym, „transident“ ist
einfach die deutsche Variante
Transsexuell
→ älterer, medizinisch-pathologisierender Begriff (aus
ICD-10-Zeiten), heute von den meisten Betroffenen abgelehnt
Genderfluid
/ non-binary / agender → eigene Geschlechtsidentitäten außerhalb
der Binärität Mann/Frau → fallen unter den trans*-Schirm,
brauchen aber oft keine HA60-Diagnose, weil keine medizinische
Transition gewünscht ist. (*)
(*) = kurze
Begriffserklärung:
„Gender
Incongruence beschreibt ja nur, dass das Geschlecht, welches bei der
Geburt zugeteilt wurde, nicht mit dem eigentlichen Geschlecht der
Person/der Geschlechtsidentität übereinstimmt. Das trifft auch auf
nicht-binäre Menschen zu.
"Medizinische
Transition" kann mehrere Dinge bedeuten, darunter fällt aber
vorallem auch eine Hormonersatztherapie, also die Gabe von Östrogen
oder Testosteron. Viele nicht-binäre Menschen wollen/machen auch
eine Hormonersatztherapie, um ihren Körper näher an ein gewünschtes
Erscheinungsbild anzupassen. Dabei ist wichtig das nicht-binär eine
Geschlechtsidentität ist bzw ein Oberbegriff für eine ganze Reihe
verschiedener Identitäten sein kann. Nicht-binär bedeutet aber
nicht automatisch, dass man androgyn aussehen möchte. Die
Geschlechtsidentität hängt nicht unbedingt mit dem gewünschten
Körper zusammen. Auch operative Maßnahmen zählen zu "medizinischer
Transition", und hier gilt das gleiche: Ich kann nicht-binär
sein und Dysphorie haben weil ich Brüste habe, und benötige eine
Mastektomie - genau wie z.B. ein trans Mann. Die Geschlechtsidentität
spielt hier keine große Rolle.
Jede*r
Mensch ist anders, und so ist auch jede Transition anders. Manche
Menschen benötigen medizinische Maßnahmen, und manche weniger. Ob
ich jetzt binär trans oder nicht-binär trans spielt hier keine
große Rolle. Allen Menschen sollten - unabhängig von Labels -
notwendige medizinische Maßnahmen erhalten können.“
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Dank
an aurora vom Queer Lexikon e.V. für diese wertvolle Ergänzung!
Link zum Queer Lexikon e.V.:
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Eine weitere hilfreiche Ergänzung, diesmal vom Bundesverband Trans*:
Ich würde ... gern zwei begriffliche Sachen kommentieren...:
Das Wort transgender wird im Deutschen so gut wie nicht verwendet,
auch nicht in den Communitys. Ursprünglich meinte es im englischen
nicht-binär.
Transident wird im Deutschen verwendet, aber wird seltener. Das korrekte
Wort aus unserer Sicht wäre transgeschlechtlich oder einfach trans*
Person, je nach Satzbau.
Nicht-binär ist eine Identität an sich, aber wird auch als Überbegriff
für viele nicht-binäre Geschlechter verwendet. Die Aufzählung von
"Genderfluid / non-binary / agender" ist daher ein wenig verwirrend,
weil non-binary hier der Überbegriff für Geschlechtsidentitäten wie
genderfluid oder agender wäre.
(Referent*in für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
WEB:
https://www.bundesverband-trans.de/
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Eine weitere, sehr lange Ergänzung diesmal vom
"Intergeschlechtliche Menschen Landesverband NRW e.V."
Gern drucke ich sie hier ergänzend ab!
Trotz der Kritik an der ICD-11 bleibe ich zu 100% bei meiner Ansicht, dass sie auch in diesem Themenkreis eine deutliche Verbesserung darstellt!
Ich werde mich auch nicht an die Anweisung halten, "künftig nur über Trans* zu schreiben, wenn ich mich auf dieses Thema konzentrieren möchte".
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# Fundierte Kritik an der Darstellung von Intergeschlechtlichkeit
in der ICD-11
## Einleitung
Die internationale Klassifikation von Krankheiten (ICD) der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist das weltweit maßgebliche System
zur Kodierung und Beschreibung von Krankheiten, Gesundheitszuständen und
medizinischen Diagnosen. Mit der Einführung der ICD-11 im Jahr 2022
wurden zahlreiche Änderungen vorgenommen, insbesondere im Bereich der
Geschlechtsidentität und sexuellen Gesundheit. Während die
Entpathologisierung von Transidentität als Fortschritt gefeiert wird,
steht die Darstellung von Intergeschlechtlichkeit weiterhin massiv in
der Kritik. Intergeschlechtliche Menschen und ihre Organisationen, wie
OII Europe, Intersexuelle Menschen e. V. und Queer Base, bemängeln
insbesondere die fortgesetzte Pathologisierung, die Stigmatisierung
durch medizinische Klassifikationen und die daraus resultierenden
negativen Folgen für die Betroffenen.
Dieser Bericht analysiert die Klassifikation von Intergeschlechtlichkeit
in der ICD-11, beleuchtet die damit verbundenen Probleme und Folgen,
stellt die wichtigsten Kritikpunkte aus Community und Wissenschaft dar
und grenzt Intergeschlechtlichkeit klar von Transidentität ab. Ziel ist
eine differenzierte, quellenbasierte und menschenrechtsorientierte
Kritik, die sowohl die medizinische Praxis als auch gesellschaftliche
und rechtliche Implikationen berücksichtigt.
## 1. Klassifikation von Intergeschlechtlichkeit in der ICD-11
### 1.1. Überblick: ICD-11 und die Einordnung von
Intergeschlechtlichkeit
Die ICD-11 unterscheidet sich in ihrer Systematik und Terminologie
deutlich von der Vorgängerversion ICD-10. Während Transidentität (bzw.
„Transsexualität“) aus dem Kapitel der psychischen Störungen entfernt
und als „Geschlechtsinkongruenz“ in das Kapitel „Zustände mit Bezug zur
sexuellen Gesundheit“ verschoben wurde, verbleibt
Intergeschlechtlichkeit weiterhin im medizinisch-pathologischen Kontext.
Intergeschlechtliche Variationen werden in der ICD-11 primär unter dem
Begriff „Disorders of Sex Development“ (DSD, dt. Störungen der
Geschlechtsentwicklung) klassifiziert. Diese Kategorie umfasst eine
Vielzahl von Diagnosen, die sich auf chromosomale, gonadale, hormonelle
oder anatomische Variationen beziehen, die nicht den medizinisch
definierten Normen von „männlich“ oder „weiblich“ entsprechen.
**Beispielhafte ICD-11-Codes für Intergeschlechtlichkeit:**
| ICD-11-Code | Bezeichnung (engl./dt.)
| Beschreibung / Beispiele |
|---------------------|---------------------------------------------------------|--------------------------------------------------|
| LC1A.5 | Androgen Insensitivity Syndrome
| Androgenresistenzsyndrom |
| 5A61.12 | Congenital Adrenal Hyperplasia
| Angeborene adrenale Hyperplasie |
| LC1A.2 | 46,XY Gonadal Dysgenesis
| 46,XY-Gonadendysgenesie |
| LB53.5 | Hypospadias, perineal
| Perineale Hypospadie |
| LC43.1 | Klinefelter Syndrome
| Klinefelter-Syndrom |
| LC1A.1 | Ovotesticular Disorder of Sex Development
| Ovotestikuläre Störung der Geschlechtsentwicklung|
| 6.11.2 | 46,XY DSD due to 5-alpha-reductase 2 deficiency
| 46,XY-DSD durch 5-alpha-Reduktase-2-Mangel |
| 6.11.3 | 46,XY DSD due to 17-beta-hydroxysteroid
dehydrogenase 3 deficiency | 46,XY-DSD durch
17-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-3-Mangel |
Die ICD-11 verwendet dabei weiterhin die Terminologie „Störung“
(disorder), was von intergeschlechtlichen Organisationen und vielen
Fachleuten als pathologisierend und stigmatisierend kritisiert wird.
### 1.2. Formulierungen und Empfehlungen in der ICD-11
In den Beschreibungen der einzelnen Diagnosen finden sich häufig
explizite Empfehlungen zu medizinischen Maßnahmen, etwa zur Durchführung
von geschlechtszuweisenden Operationen oder Hormonbehandlungen bereits
im Kindesalter. So heißt es beispielsweise im ICD-11-Beta-Entwurf zur
„46,XY disorder of sex development due to 17-beta-hydroxysteroid
dehydrogenase 3 deficiency“:
> „If the diagnosis is made at birth, gender assignment must be
> discussed, depending on the expected results of masculinizing
> genitoplasty. If female assignment is selected, feminizing genitoplasty
> and gonadectomy must be performed.“
Solche Formulierungen suggerieren eine medizinische Notwendigkeit von
frühzeitigen, oft irreversiblen Eingriffen, obwohl die Evidenzlage diese
Praxis nicht stützt und internationale Menschenrechtsgremien diese als
problematisch einstufen.
### 1.3. Historische Entwicklung: Von ICD-10 zu ICD-11
Die ICD-10 unterschied noch zwischen „Störungen der
Geschlechtsidentität“ (F64) und „Störungen der Geschlechtsentwicklung“
(verschiedene somatische Diagnosen). Mit der ICD-11 wurde die Kategorie
„Geschlechtsinkongruenz“ für Transidentität eingeführt und aus dem
Bereich der psychischen Störungen entfernt. Für Intergeschlechtlichkeit
blieb jedoch die Einordnung als „Störung“ bestehen, und die medizinische
Klassifikation wurde sogar durch die Übernahme und Ausweitung des
DSD-Konzepts weiter verfestigt.
## 2. Kritikpunkte und Probleme der ICD-11-Klassifikation
### 2.1. Pathologisierung und Stigmatisierung
**Zentrale Kritik:** Die ICD-11 perpetuiert die Pathologisierung
intergeschlechtlicher Körper, indem sie natürliche Variationen als
„Störungen“ klassifiziert. Dies trägt zur gesellschaftlichen
Stigmatisierung bei und vermittelt den Eindruck, dass
intergeschlechtliche Körper „krankhaft“ oder „reparaturbedürftig“ seien.
OII Europe und andere Organisationen betonen, dass die Verwendung des
Begriffs „Disorder of Sex Development“ (DSD) von der Community
überwiegend abgelehnt wird. Studien zeigen, dass nur ein kleiner Teil
der Betroffenen diese Bezeichnung für sich selbst akzeptiert, viele sie
aber aus pragmatischen Gründen verwenden, um Zugang zu medizinischer
Versorgung zu erhalten.
**Wissenschaftliche Stimmen:** Die Pathologisierung wird auch in der
Fachliteratur kritisiert. So heißt es etwa:
> „Die ICD-11 führt die Kategorie ‚Geschlechtsinkongruenz‘ ein, was eine
> Entpathologisierung suggerieren soll, jedoch bleibt die Diagnose im
> medizinischen Klassifikationssystem verankert und kann weiterhin
> stigmatisierend wirken.“ (Annette Güldenring)
### 2.2. Auswirkungen auf die medizinische Praxis
Die medizinische Klassifikation als „Störung“ hat direkte Auswirkungen
auf die Behandlungspfade. In vielen Ländern werden weiterhin nicht
notwendige, irreversible chirurgische und hormonelle Eingriffe an
intergeschlechtlichen Kindern durchgeführt, um deren Körper an binäre
Geschlechternormen anzupassen. Diese Praxis wird durch die ICD-11
indirekt legitimiert, da sie entsprechende Empfehlungen und Kodierungen
enthält.
**Zentrale Probleme:**
- **Fehlende informierte Einwilligung:** Die meisten Eingriffe erfolgen
im Kindesalter, bevor die Betroffenen selbst einwilligungsfähig sind.
- **Langfristige Schäden:** Studien dokumentieren negative physische und
psychische Folgen, darunter Verlust sexueller Empfindungsfähigkeit,
Unfruchtbarkeit, Traumatisierung und Minderheitenstress.
- **Fehlende Evidenz:** Es gibt keine belastbaren wissenschaftlichen
Belege dafür, dass frühzeitige „normalisierende“ Operationen
psychosoziale Vorteile bringen. Im Gegenteil, internationale Leitlinien
und Menschenrechtsgremien fordern einen Stopp dieser Praxis.
### 2.3. Rechtliche und administrative Folgen
Die medizinische Klassifikation beeinflusst auch rechtliche und
administrative Bereiche:
- **Personenstand:** In vielen Ländern ist der Zugang zu einem passenden
Geschlechtseintrag oder zu einer dritten Option weiterhin an
medizinische Diagnosen und Gutachten geknüpft.
- **Versicherung und Versorgung:** Die Pathologisierung kann zu
Diskriminierung im Gesundheitssystem führen, etwa durch verweigerte
Kostenübernahme für notwendige Behandlungen oder durch Ausschluss von
Versicherungsleistungen.
- **Diskriminierungsschutz:** Der explizite Schutz vor Diskriminierung
aufgrund von Geschlechtsmerkmalen ist in vielen Ländern noch nicht
ausreichend gesetzlich verankert. Positive Beispiele wie Malta zeigen,
dass rechtliche Reformen möglich und wirksam sind.
### 2.4. Psychosoziale Folgen
Die Stigmatisierung und Pathologisierung intergeschlechtlicher Menschen
führt zu erhöhtem Minderheitenstress, psychischen Belastungen und einem
erhöhten Risiko für Depressionen, Angststörungen und Suizidalität.
Studien zeigen, dass inter* Personen signifikant häufiger unter
psychischen Erkrankungen leiden als die Allgemeinbevölkerung und dass
die Rate von Suizidversuchen alarmierend hoch ist.
**Minoritäten-Stress-Modell:** Dieses Modell erklärt, wie chronischer
Stress durch soziale Stigmatisierung und Diskriminierung die psychische
Gesundheit von Menschen aus marginalisierten Gruppen negativ
beeinflusst. Für inter* Personen wirken sowohl externe (distale) als
auch interne (proximale) Stressoren, die durch gesellschaftliche
Unsichtbarkeit, Diskriminierung und medizinische Übergriffe verstärkt
werden.
### 2.5. Zusammenfassung der Kritikpunkte
| Kritikpunkt | Beschreibung / Auswirkung
|
|------------------------------------|----------------------------------------------------------------------------------------------------------|
| Pathologisierung | Klassifikation als „Störung“
vermittelt Krankhaftigkeit und legitimiert medizinische Eingriffe
|
| Stigmatisierung | Gesellschaftliche Ausgrenzung,
Diskriminierung, Minderheitenstress
|
| Medizinische Praxis | Frühzeitige, irreversible
Eingriffe ohne informierte Einwilligung, fehlende Evidenz für Nutzen
|
| Rechtliche Folgen | Einschränkung der
Selbstbestimmung, Zugang zu Personenstand und Versorgung erschwert
|
| Psychosoziale Folgen | Erhöhte Prävalenz von Depression,
Angststörungen, Suizidalität, Traumatisierung |
| Fehlende menschenrechtsbasierte Leitlinien | Mangel an partizipativer,
nicht-pathologisierender Versorgung und Beratung
|
## 3. Abgrenzung: Intergeschlechtlichkeit vs. Transidentität
### 3.1. Medizinische und gesellschaftliche Unterschiede
**Intergeschlechtlichkeit** bezeichnet angeborene körperliche
Variationen der Geschlechtsmerkmale (Chromosomen, Gonaden, Hormone,
Genitalien), die nicht den medizinisch definierten Normen von „männlich“
oder „weiblich“ entsprechen. Inter* ist somit eine Frage der
körperlichen Ausprägung, nicht der Geschlechtsidentität.
**Transidentität** (Trans*, transgender) beschreibt Menschen, deren
Geschlechtsidentität nicht mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht
übereinstimmt. Trans* bezieht sich auf das subjektive Erleben und die
soziale Rolle, nicht auf körperliche Merkmale. Trans* Personen können
endo- oder intergeschlechtlich sein, inter* Personen können sich als
männlich, weiblich, nicht-binär, trans* oder cis* identifizieren.
**Wichtige Unterscheidungen:**
| Aspekt | Intergeschlechtlichkeit (Inter*)
| Transidentität (Trans*)
|
|-------------------------|------------------------------------------------------------------|---------------------------------------------------------|
| Definition | Angeborene körperliche Variationen der
Geschlechtsmerkmale | Geschlechtsidentität weicht vom zugewiesenen
Geschlecht ab|
| Medizinische Relevanz | Betrifft Chromosomen, Gonaden, Hormone,
Genitalien etc. | Betrifft Identität, nicht zwingend
körperliche Merkmale |
| Diagnostik | Medizinisch feststellbar (z. B. durch
Gentests, Hormonanalysen) | Psychosoziale Diagnostik
(Selbstwahrnehmung, Identität) |
| Behandlungsziele | Schutz vor unnötigen Eingriffen,
Selbstbestimmung | Zugang zu geschlechtsangleichenden
Maßnahmen nach Wunsch|
| Gesellschaftliche Dimension | Sichtbarkeit, Anerkennung körperlicher
Vielfalt | Anerkennung der Geschlechtsidentität,
Selbstbestimmung |
**Zitat aus der Community:**
> „Intergeschlechtlichkeit ist nicht mit Transidentität gleichzusetzen.
> Während Trans* sich auf die Geschlechtsidentität bezieht, betrifft
> Inter* körperliche Merkmale.“ (Dr. Dan Christian Ghattas)
### 3.2. Warum eine Gleichsetzung problematisch ist
Die Gleichsetzung von Inter* und Trans* ist sowohl medizinisch als auch
gesellschaftlich falsch und führt zu Fehlbehandlungen,
Missverständnissen und einer Verkennung der spezifischen Bedürfnisse
beider Gruppen.
- **Medizinisch:** Während Trans* Personen in der Regel medizinische
Maßnahmen zur Angleichung an ihre Geschlechtsidentität wünschen, geht es
bei Inter* Personen primär um den Schutz vor nicht notwendigen
Eingriffen und um die Anerkennung körperlicher Vielfalt. Viele Inter*
Personen lehnen medizinische Eingriffe ab, die nicht aus
gesundheitlichen Gründen notwendig sind.
- **Gesellschaftlich:** Die spezifischen Diskriminierungserfahrungen,
rechtlichen Hürden und psychosozialen Belastungen unterscheiden sich
erheblich. Inter* Personen erleben Stigmatisierung aufgrund ihrer
Körperlichkeit, Trans* Personen aufgrund ihrer Identität und ihres
sozialen Ausdrucks.
**Fazit:** Eine differenzierte Betrachtung ist unerlässlich, um beiden
Gruppen gerecht zu werden und ihre Rechte zu schützen.
## 4. Stimmen aus der Community und Wissenschaft
### 4.1. Stellungnahmen intergeschlechtlicher Organisationen
#### OII Europe
OII Europe, der europäische Dachverband intergeschlechtlicher
Organisationen, kritisiert die ICD-11 scharf:
> „OII Europe begrüßt die positiven Veränderungen der ICD-11 in Bezug auf
> trans Personen. Die Entfernung transbezogener Diagnosen aus dem Kapitel
> der psychischen Störungen ist ein wichtiger Schritt. Wir sind jedoch
> sehr besorgt, dass die WHO die Chance verpasst hat,
> intergeschlechtliche Menschen zu entpathologisieren und damit zur
> Verringerung von Menschenrechtsverletzungen beizutragen.“
OII Europe fordert:
- Die Abschaffung pathologisierender Begriffe wie „Disorder of Sex
Development“.
- Die Einführung menschenrechtsbasierter, neutraler Terminologie
(„Variationen der Geschlechtsmerkmale“).
- Ein Verbot nicht notwendiger, irreversibler medizinischer Eingriffe
ohne informierte Einwilligung.
- Die Einbeziehung intergeschlechtlicher Expert*innen in die Entwicklung
von Leitlinien und Gesetzen.
#### Intersexuelle Menschen e. V.
Der deutsche Bundesverband Intersexuelle Menschen e. V. begrüßt zwar
rechtliche Fortschritte wie das deutsche Gesetz zum Schutz von Kindern
mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, kritisiert aber die weiterhin
bestehende Pathologisierung und fordert Verbesserungen:
> „Operationen und Behandlungen an intergeschlechtlichen Kindern sind
> jetzt nur noch erschwert möglich. […] Dennoch bleibt die medizinische
> Klassifikation als Störung problematisch und trägt zur Stigmatisierung
> bei.“
#### Queer Base und weitere NGOs
Auch Queer Base und andere NGOs fordern eine klare Abkehr von
pathologisierenden Diagnosen und eine menschenrechtsbasierte Versorgung.
Sie betonen die Notwendigkeit von Peer-Beratung, psychosozialer
Unterstützung und rechtlicher Anerkennung ohne medizinische
Zwangsgutachten.
### 4.2. Wissenschaftliche Kritik und Empfehlungen
#### Internationale Leitlinien und Menschenrechtsgremien
- **UN, WHO, Europarat:** Zahlreiche internationale Gremien fordern ein
Ende nicht notwendiger medizinischer Eingriffe an intergeschlechtlichen
Kindern und eine Überarbeitung der medizinischen Klassifikationen im
Sinne der Menschenrechte.
- **Malta als Vorbild:** Das maltesische Gesetz von 2015 verbietet nicht
notwendige geschlechtszuweisende Eingriffe an Minderjährigen ohne deren
informierte Einwilligung und gilt als internationales Vorbild.
#### Wissenschaftliche Studien und Gutachten
- **Fehlende Evidenz für frühzeitige Eingriffe:** Studien zeigen, dass
es keine wissenschaftliche Grundlage für kosmetische Operationen im
Kindesalter gibt und dass die langfristigen Folgen oft negativ sind.
- **Psychosoziale Belastungen:** Inter* Personen berichten über hohe
Raten von Depressionen, Angststörungen, Suizidalität und
Minderheitenstress, die direkt mit Stigmatisierung und medizinischen
Übergriffen zusammenhängen.
- **Empfehlung zur partizipativen Versorgung:** Wissenschaftler*innen
fordern eine partizipative, nicht-pathologisierende Versorgung, die auf
informierter Einwilligung, Peer-Beratung und psychosozialer
Unterstützung basiert.
#### Zentrale Forderungen aus Community und Wissenschaft
| Forderung / Empfehlung | Begründung / Ziel
|
|------------------------------------------------|-----------------------------------------------------------------------------------------------------|
| Abschaffung pathologisierender Begriffe | Vermeidung von
Stigmatisierung, Anerkennung körperlicher Vielfalt
|
| Verbot nicht notwendiger medizinischer Eingriffe| Schutz der
körperlichen Unversehrtheit, Selbstbestimmung
|
| Einführung menschenrechtsbasierter Leitlinien | Orientierung an
internationalen Menschenrechtsstandards
|
| Einbeziehung von Betroffenen in Leitlinienentwicklung | Partizipation,
Berücksichtigung von Erfahrungswissen
|
| Zugang zu psychosozialer und Peer-Beratung | Unterstützung,
Empowerment, Resilienzförderung
|
| Rechtliche Anerkennung ohne medizinische Gutachten | Selbstbestimmung,
Abbau von Diskriminierung und Barrieren
|
## Fazit und Ausblick
Die ICD-11 stellt in Bezug auf die Darstellung von
Intergeschlechtlichkeit einen gravierenden Rückschritt dar. Während für
Transidentität Fortschritte in Richtung Entpathologisierung erzielt
wurden, bleibt Intergeschlechtlichkeit weiterhin als „Störung“
klassifiziert. Dies hat weitreichende negative Folgen: Es perpetuiert
Stigmatisierung, legitimiert medizinisch nicht notwendige und oft
schädliche Eingriffe, erschwert die rechtliche Anerkennung und trägt zu
psychosozialen Belastungen bei.
Die Kritik aus Community und Wissenschaft ist eindeutig: Die ICD-11 muss
dringend überarbeitet werden, um menschenrechtsbasierte,
nicht-pathologisierende und partizipative Ansätze zu fördern. Die
Erfahrungen aus Ländern wie Malta zeigen, dass rechtliche und
medizinische Reformen möglich und wirksam sind.
**Empfohlene Maßnahmen:**
- Überarbeitung der ICD-11-Klassifikation: Ersetzung pathologisierender
Begriffe durch neutrale, wertschätzende Terminologie.
- Verbot nicht notwendiger medizinischer Eingriffe ohne informierte
Einwilligung.
- Entwicklung und Implementierung partizipativer,
menschenrechtsbasierter Leitlinien unter Einbeziehung von Betroffenen.
- Ausbau psychosozialer und Peer-basierter Unterstützungsangebote.
- Rechtliche Anerkennung und Diskriminierungsschutz unabhängig von
medizinischen Diagnosen.
Nur durch eine konsequente Umsetzung dieser Forderungen kann die Würde,
Selbstbestimmung und Gesundheit intergeschlechtlicher Menschen
nachhaltig geschützt werden.
## Anhang: Übersicht zentrale Quellen und Stellungnahmen
- **OII Europe:** Handreichung für Gesetzgeber*innen,
Pressemitteilungen, Stellungnahmen zur ICD-11 und zu menschenrechtlichen
Standards.
- **Intersexuelle Menschen e. V.:** Stellungnahmen zu
Gesetzesinitiativen, OP-Verbot, Personenstand, ICD-11.
- **Queer Base:** Forderungen nach Peer-Beratung, rechtlicher
Anerkennung, menschenrechtsbasierter Versorgung.
- **Wissenschaftliche Literatur:** Gutachten, Leitlinien, Studien zu
psychosozialen Folgen, medizinischer Praxis, Minderheitenstress,
Prävalenz.
- **Internationale Leitlinien:** UN, WHO, Europarat, maltesisches
Gesetz, Empfehlungen zu menschenrechtsbasierter Versorgung.
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