IMPRESSUM

Mittwoch, 24. Dezember 2025

2 ANHÄGE ZUR PETITION

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 https://kopfmahlen.blogspot.com/2025/06/startseite-icd-11-petition-bundestag.html 

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Geplant ist diese vorab an den PET-Ausschuss zu senden, falls es danach aussieht, dass wir gewinnen können. 
Diese können dann als zusätzliche Tischvorlage dienen. Und zur Sicherheit würde ich auch 30 gedruckte Exemplare als Handouts mitnehmen.

ZWEI wichtige Punkte werden auf je einer DIN A 4 Seite eingebracht.
"Schreiben Sie über ALLES! Aber NIE über eine Seite!", lernte ich schon seinerzeit in der Verwaltung ...
:-) 


1)

Rechtliche und versorgungsrelevante Folgen der weiterhin geltenden ICD-10

In der ICD-10 (noch VERBINDLICH gültig in Deutschland):

  • Transsexualität → Code F64.0 „Transsexualismus“

  • Kategorie: „Psychische und Verhaltensstörungen“

  • Folge: Die eigene Geschlechtsidentität wird als psychische Krankheit klassifiziert → Stigma + Zwangspsychiatrisierung möglich

  • Transvestitismus → F65.1 als „Störung der Sexualpräferenz“ → ebenfalls pathologisiert

  • Intergeschlechtlichkeit / Variationen der Geschlechtsmerkmale → unter endokrinen Störungen (E34.5) oder angeborenen Fehlbildungen (Q56)



In der ICD-11:
(weltweit seit 2022, in Deutschland noch auf Jahre nicht offiziell)

  • Transsexualität → komplett gestrichen

  • Neuer Begriff: HA60 „Geschlechtsinkongruenz“ (Gender Incongruence)

  • Neues Kapitel: „Conditions related to sexual health“ → keine psychische Störung mehr

  • Transvestitismus → komplett entfernt, keine Diagnose mehr

  • Intergeschlechtlichkeit → neuer Code HA2 ebenfalls im Kapitel „Conditions related to sexual health“ → als natürliche Variation, nicht als Krankheit oder Fehlbildung.



Ergebnis
Die ICD-11 entpathologisiert Trans*- und Inter*-Lebensrealitäten vollständig, behält aber dennoch den Zugang zu medizinischer Versorgung (Hormone, Operationen, Begleitung) bei. Genau das beschreibt auch Dr. Mark Benecke treffend:
Die ICD-11 sorgt auch dafür, dass LGBTQ+-Menschen bessere Behandlungen erhalten ohne dass ihre Identität als Krankheit gilt, sorgt für bessere Forschung und Prävention und gibt ein deutliches Signal gesellschaftlicher Anerkennung. Letztlich ist es ein Kompromiss zwischen Sichtbarkeit im System und Entpathologisierung. Dennoch ist dies ein deutlicher Fortschritt.“

Vor diesem Hintergrund entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen aktueller Klassifikation und geltendem Gleichbehandlungsverständnis.

Aktuelle rechtliche Situation

  • Artikel 3 GG: Benennt Geschlecht, Abstammung, Rasse etc., aber nicht explizit sexuelle Orientierung oder Identität.

  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Verbietet Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität am Arbeitsplatz und bei Rechtsgeschäften des täglichen Lebens.

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Hat die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung durch den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig erklärt. 

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2)

ICD-11 kann schrittweise und parallel eingeführt werden – ein bereits erprobtes Modell

In politischen und administrativen Debatten wird die Einführung der ICD-11 häufig als strikt alternatives Szenario verstanden: entweder ICD-10 oder ICD-11. Daraus ergibt sich oft die Annahme, eine vollständige Umstellung sei erst nach jahrelanger Vorbereitung möglich. Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz.

Bereits heute existieren in Deutschland fachlich erprobte Übergangsmodelle, die zeigen, dass eine parallele und schrittweise Nutzung von ICD-11-Elementen möglich und sinnvoll ist. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Arbeit von Prof. Dr. Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Mainz.

Prof. Lieb befasst sich seit Jahren intensiv mit der ICD-11, insbesondere im Bereich der psychischen Störungen und Persönlichkeitsstörungen. In seinen Lehrbüchern und Fachpublikationen – u. a. im „Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie“ (10. Auflage, 2023) – werden ICD-10- und ICD-11-Diagnosen systematisch parallel dargestellt. Ziel ist es, medizinisches Fachpersonal bereits vor der offiziellen Einführung mit den neuen Klassifikationen vertraut zu machen.

Besonders relevant ist seine explizite Empfehlung einer sogenannten „doppelten Buchführung“:
Diagnosen werden weiterhin formal nach ICD-10 kodiert, gleichzeitig jedoch ergänzend nach ICD-11 dokumentiert, etwa in Arztbriefen, Gutachten oder im Diskussionsteil medizinischer Berichte. Auf diese Weise können die inhaltlichen Vorteile der ICD-11 – etwa präzisere Diagnosen, dimensionale Schweregrade oder neu definierte Krankheitsbilder – bereits heute genutzt werden, ohne bestehende rechtliche oder abrechnungstechnische Vorgaben zu verletzen.

Dieses Vorgehen wird in der psychiatrischen Praxis bereits angewandt, beispielsweise bei der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, Zwangsspektrum-Störungen, Persönlichkeitsstörungen oder der prolongierten Trauerstörung. Die Folge ist eine passgenauere Diagnostik und Therapie, bei gleichzeitiger Vorbereitung des Systems auf den späteren vollständigen Übergang.

Das Beispiel zeigt:
Die Einführung der ICD-11 ist
kein starres Entweder-Oder, sondern kann als gestufter, lernender Prozess gestaltet werden. Übergangslösungen sind fachlich möglich, wissenschaftlich fundiert und bereits erprobt. Sie verbessern die Versorgung von Patientinnen und Patienten, ohne die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu gefährden.

Die Petition „ICD-11 JETZT!“ knüpft an diese Erfahrungen an. Sie versteht sich nicht als Forderung nach einer vereinfachten oder überhasteten Komplettumstellung, sondern als Plädoyer für eine strukturierte, priorisierte und verantwortungsvolle Umsetzung, die vorhandene Spielräume nutzt – im Interesse aller Betroffenen.

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