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Montag, 29. Dezember 2025

#icd11jetzt / #BeispielChronischeBorreliose .................. Wenn Krankheiten statistisch nicht existieren

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#icd11jetzt   #BeispielChronischeBorreliose


Guten Tag!
In einem von mir getexteten Song heißt es:
„Deine Krankheit gibt es nicht!
Wird Zeit, dass dieses Dogma bricht!“
Dazu dieser Artikel.

Wenn Krankheiten statistisch nicht existieren

Borreliose, ICD-10 – und das Leiden in der Unsichtbarkeit
Jedes Jahr erkranken in Deutschland – nach vorsichtigen Schätzungen des Robert Koch-Instituts – rund 20.000 Menschen an Borreliose. Andere Datenquellen gehen von deutlich höheren Zahlen aus. Schon diese Spannbreite zeigt ein strukturelles Problem: Die Datengrundlage ist lückenhaft. Doch das eigentliche Defizit beginnt nach der akuten Erkrankung.
Denn während die ICD-10 die Lyme-Borreliose als Infektionskrankheit kennt (A69.2), kennt sie keine Diagnose für anhaltende oder persistierende Beschwerden nach durchgemachter Borreliose. Der häufig verwendete Begriff „chronische Borreliose“ existiert im Klassifikationssystem nicht. Auch Begriffe wie „persistierend“ oder das international diskutierte Post-Treatment Lyme Disease Syndrome (PTLDS) sind nicht kodierbar.
Für die Betroffenen ist das keine akademische Frage. Viele berichten von jahrelanger Erschöpfung, Schmerzen, Konzentrationsstörungen, neurologischen Ausfällen oder massiven Einschränkungen im Alltag. Menschen verlieren ihre Arbeitsfähigkeit, ihre soziale Teilhabe, oft auch das Vertrauen in das Gesundheitssystem. Und dennoch heißt es formell: keine passende Diagnose.
Kodiert wird nur, was klar abgrenzbar ist
Die ICD-10 folgt einer klaren Logik: Sie kodiert Erkrankungen und definierte Organmanifestationen, nicht Krankheitsverläufe. Entsprechend lassen sich einzelne Spätfolgen zwar verschlüsseln – etwa eine Lyme-Arthritis, eine Neuroborreliose oder die Akrodermatitis chronica atrophicans. Was sich jedoch nicht kodieren lässt, sind systemische, diffuse, anhaltende Beschwerden ohne eindeutige Organzuordnung: Fatigue, Schmerzen, kognitive Einschränkungen, Belastungsintoleranz.
Gerade diese unspezifischen Symptome sind es jedoch, die den Alltag vieler Betroffener dominieren. Sie sind oft unsichtbar, schwer messbar, medizinisch erklärungsbedürftig – und damit besonders anfällig dafür, relativiert oder psychologisiert zu werden. Die ICD-10 bietet für diese Situation keinen passenden Rahmen.
Was nicht kodiert wird, kann nicht gezählt werden
Dieser Punkt ist entscheidend:
Epidemiologie basiert auf Kodierung.
Wenn es keinen ICD-Code gibt, dann gibt es:
  • keine Meldezahlen
  • keine belastbaren Jahresinzidenzen
  • keine verlässlichen Prozentangaben
  • keine systematische Versorgungsplanung
Für die Betroffenen bedeutet das ganz konkret: Ihr Leiden taucht in keiner Statistik auf. Es erscheint weder in Gesundheitsberichten noch in Planungsgrundlagen, weder in Bedarfsanalysen noch in politischen Prioritäten.
Die oft zitierten Angaben, wonach „5 – 30 %“ der Borreliose-Erkrankten längerfristige Beschwerden entwickeln, stammen aus heterogenen Studien mit unterschiedlichen Definitionen, Beobachtungszeiträumen und Auswahlkriterien. Sie sind wissenschaftlich interessant, aber nicht geeignet, um eine nationale Krankheitslast zu beziffern – und schon gar nicht, um individuelle Versorgungsansprüche abzusichern.
Mit anderen Worten:
Man kann nicht seriös sagen, wie viele Menschen pro Jahr in Deutschland an anhaltenden Beschwerden nach Borreliose leiden – und genau diese Unklarheit trifft die Betroffenen mit voller Wucht.
Unsichtbarkeit ist kein Zufall
Diese Unsichtbarkeit ist kein individuelles Versagen von Ärzt:innen oder Behörden. Sie ist systemisch bedingt. Die ICD-10 zwingt komplexe Verläufe in eine Entweder-Oder-Logik: Infektion vorhanden oder nicht, Organ betroffen oder nicht. Dazwischen gibt es wenig Raum.
Für viele Erkrankte bedeutet das eine jahrelange Odyssee: wechselnde Diagnosen, widersprüchliche Einschätzungen, Gutachten ohne klare Zuordnung. Wer keine eindeutige Kodierung hat, steht oft auch sozialrechtlich schlechter da – etwa bei Fragen der Erwerbsfähigkeit, der Pflegebedürftigkeit oder der Anerkennung von Behinderung.
Oder zugespitzt formuliert:
Was im Klassifikationssystem nicht existiert, existiert im Alltag der Betroffenen trotzdem – nur ohne institutionelle Anerkennung.
Fazit
Die Debatte um „chronische Borreliose“ ist weniger eine Frage von Begriffen als eine Frage von Strukturen und Verantwortung. Solange anhaltende Krankheitszustände nach Borreliose nicht adäquat klassifiziert werden können, bleiben sie epidemiologisch unscharf – und die Betroffenen bleiben mit ihren Einschränkungen oft allein.
Nicht weil ihr Leid nicht real wäre.
Sondern weil das System es nicht ausreichend abbildet.
(mm) 

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